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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 25.03.2004


Was kostet ein Schnitzel wirklich
Anne Winkel

"Foodwatch-Report über falsche Preise, wahre Kosten und die Sinnlosigkeit von moralischen Appellen an die Verbraucher". Vergleichsstudie von konventionellen und ökologischen Produktionsbedingungen




"Die Preise an der Fleischtheke am Supermarkt lügen, weil verzerrte Wettbewerbsbedingungen für konventionelle und ökologische Produkte vorherrschen" , so zieht "foodwatch e. V." Bilanz aus der Studie "Was kostet ein Schnitzel wirklich?" - erstellt vom "Institut für ökologische Wirtschaftsforschung" (IÖW).

Laut "IÖW" und "foodwatch" weise ihre Untersuchung zwei wesentliche Mängel auf dem Weg des (Öko)Schweins zu den VerbraucherInnen nach: unterschiedliche Grundlagen zum Einen in der Produktion und zum Anderen innerhalb des Vertriebs. Im Vergleich zu einem Kilo herkömmlichem Schnitzel habe Ökofleisch einen Mehrpreis von bis zu 90%, denn während VerbraucherInnen für ein Kilo konventionelles Schweinefleisch im Schnitt 7 Euro zahlen, sind es beim Biofleisch rund 13 Euro.

Basierend auf den Ergebnissen der "Was kostet ein Schnitzel wirklich?"-Studie hat Foodwatch drei wesentliche Forderungen an die Politik:

    1. Die Anwendung des Verursacherprinzips: "Wer Schaden macht, muss auch dafür zahlen", so foodwatch-Geschäftsführer Bohde, z. B. durch Pestizidabgaben
    2. Die Senkung der Vertriebskosten für Ökofleisch
    3. Werbung als Wertgebung und Kennzeichnung für Qualitätsfleisch (und damit verbunden: die Abschaffung der CMA)
Grundlage dieser Forderungen sind folgende Aspekte von Herstellung und Verkauf des Fleischs:

Produktionsbedingungen (Forderung: Verursacherprinzip) :
Bei der Herstellung von ökologischem Fleisch fallen die Kosten für Futter, Ferkel, Mastdauer, Haltung Personal, die bei Ökobauern höher aus (z. B. wegen der längeren Mastdauer, tiergerechten Haltung, weniger maschineller Abfertigung). Diese Mehrkostenmüssen die LandwirtInnen selbst decken. Umweltkosten dagegen, die bei herkömmlichen Bauern erheblich größer sind, werden von SteuerzahlerInnen getragen (z. B. Treibhauseffekt, Wasserverschmutzung mit Phosphaten, Nitraten und Pflanzenschutzmitteln). Rechnet man diese Kosten in den Verkaufspreis eines Schnitzels mit ein, so müsste das Fleisch um ein Drittel teurer werden.

Vertriebsbedingungen (Forderung: Senkung der Kosten) :
Des Weiteren sei das Ökoschnitzel so teuer, weil den Biobetrieben "keine effektiven Vertriebswege" zur Verfügung stehen. "Ökofleisch ist ein Nischenprodukt innerhalb des hochgradig rationalisierten Systems heutiger Schweinefleischproduktion". Daraus resultieren die hohen Kosten für den Vertrieb (Kleinmengenzuschläge für gesonderten Transport, Schlachtung, Zerlegung und Verteilung in den Läden). Auch der Umstand, dass nur die Hälfte eines Ökoschweins als Bioware vermarktet werden kann, trägt zum Mehrpreis bei.

Würden die Unterschiede in Produktion und Vertrieb ausgeglichen, könnte der Preisunterschied von besagten 90% auf 14% gemindert werden, einer Differenz, die von qualitätsorientierten VerbraucherInnen gerne in Kauf genommen würde.

Werbung und Etikettierung (Forderung: Wertgebung):
Ein weiteres Problem sieht "foodwatch e. V." in der Werbung. Fleischprodukte werden ohne Qualitätsmerkmale angepriesen. Die halbstaatliche "Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft" (CMA) werbe laut foodwatch mit unsinnigen Slogans - nach dem Muster "Fleisch macht lustig". (Spot und Plakatkampagne unter www.cma.de). KäuferInnen bleibe so nur der Preisvergleich zur Kaufentscheidung. Unter den Werbeaspekt fällt auch die fehlende Etikettierung der Fleischwaren. KundInnen erhalten keine brauchbaren Informationen zu Herkunft, Tierhaltung, Fütterung, Tiertransport. Denn "wenn Fleisch Fleisch ist, ist der Preis entscheidend", konstatiert "foodwatch"-Geschäftsführer Bohde. Es finde eine "bewusste Verdummung der Verbraucher" statt.

"Die Agrarwende ist ja ein ehrenwertes Ziel, aber sie findet nicht statt", klagt Bohde weiter, denn die Politik setze an der falschen Stelle an. Renate Künasts Appelle an die Verbraucher (Stichwort: "Schnäppchendebatte") und die Forderung einer Erziehung der Kinder zu bewusster Ernährung sei zwar gut gemeint, greife aber nicht und könne keinesfalls zur 2001 geplanten Steigerung des Anteils von Ökolandbau von damals 3% auf 20% innerhalb von 10 Jahren führen. Die ungleichen Wettbewerbsbedingungen (Produktion, Vertrieb) führen zum Preisunterschied auf unterschiedlicher Basis. Unqualifizierte Werbung unterstreicht die fehlende Nachfrage, statt sie zu fördern.

Dass ein fairer Wettbewerb zwischen ökologischen und konventionellen Produkten möglich ist, zeige das Beispiel der Supermarktkette "Edeka Nord", auf das "foodwatch" wiederholt verweist. Bei Edeka Nord können KäuferInnen Biofleisch neben herkömmlichen Fleisch zu moderaten Preisaufschlägen erwerben. "Der Thekenpreis für ein Kilo Öko-Schweineschnitzel beträgt bei Edeka Nord 8,50 Euro/kg. Die Preisdifferenz zum konventionellen Fleisch beläuft sich damit auf nur 1,50 Euro oder 22 Prozent" . Grund hierfür lege in der Führung der Filialen durch selbstständige Kaufleute, die keinen strengen Vorgaben von Konzernzentralen folgen müssen.

Geht man von der Annahme aus, dass die "foodwatch-Forderungen" umgesetzt werden: Würde sich dann die Angleichung zwischen Öko- und konventionellen Produktpreisen nicht auch im wesentlichen auf die Erhöhung der konventionellen Fleischpreise stützen? Kann sich ein sozial schwächerer Bürger, dann noch Fleisch leisten? Für normal und besserverdienende VerbraucherInnen, die bereit sind, für Bioprodukte etwas mehr zu zahlen ergeben sich bei der Minimierung der Preisdifferenz unbestreitbar Vorteile. Sie sind bereit für vermeintlich bessere Qualität auch etwas mehr zu zahlen. Doch schlechter Verdienende haben keinen finanziellen Freiraum für diese Entscheidung.

Auch das etwas verzweifelte Pochen auf das Positivbeispiel von Edeka Nord, ist im Falle einer Durchsetzung des Verursacherprinzips mit anderen Augen zu betrachten. Der Kernpunkt des erfolgreichen Absatzes von Biofleisch an der Edeka-Theke beruht auf dem Kernpunkt Vertrieb. Wenn erhebliche Umweltkosten auf konventionelle Betriebe zukommen, wird dann dieses Fleisch bei Edeka teurer werden als das ökologische Schweineschnitzel? Sicher wäre der zwangsläufige Schritt einer ökonomisch ausgerichteten Supermarktkette die Erhöhung des Bioschnitzelpreises. Zwar sehen Vertreter von foodwatch die Gefahren der Macht von Supermarktketten, jedoch nur im allgemeinen Druck auf die Bauern.

Hinzu kommt der EU- und internationale Handel. Wenn die Preise für konventionelles deutsches Fleisch steigen, wird wahrscheinlich mehr aus anderen Ländern importiert werden, die keine Umweltkosten zu Lasten der Landwirte legen und so weiterhin billige und dennoch gleichwertige Lebensmittel bieten.
Gefahr der Macht von Supermarktketten

Richtig bemerkt Matthias Wolfschmidt, dass es sich bei Agrarreformen um einen langen Prozess handelt. Angesprochen wird auch das Problem der Arten. Die gehaltenen Schweinerassen unterscheiden sich zwischen ökologischem und herkömmlichen Betrieb kaum bis gar nicht. Die Geschmacksunterschiede sind einfach noch nicht groß genug. Wenn "foodwatch"-Geschäftsführer Bohde aber für eine Qualitätswerbung plädiert, so ist sicher nicht nur Tierhaltung, Futter, usw. entscheidend, sondern vor allem der Geschmack. Ist kein Geschmacksunterschied erkennbar, so werden die wenigstens VerbracherInnen einsehen, zum (wenn auch nur noch 14 %) teureren Produkt zu greifen. Die Stiftung Warentest hat in einer Befragung von 11/2003 herausgefunden, dass der Geschmack von Schweinefleisch willkürlich variiert. Mal ist das Bioprodukt besser, mal das konventionell produzierte Schweinerückensteak. "Der Preis ist kein verlässliches Maß für Qualität. Gutes Fleisch kann teuer, aber auch billig sein" (siehe www.stiftung-warentest.de)

Die von Bohde geäußerte Kritik an der CMA Werbung ist nicht nachvollziehbar. Dass Werbung zum Verkauf führen soll ist das leitende Prinzip. Medienwirkungsforschungen zeigen, dass emotionale Werbung weit erfolgreicher ist als Werbung, die den Intellekt anspricht. Auch der gezogene Vergleich zu Mercedes (Bohde behauptet Mercedes würde sich auch nicht durch "Mercedes Fahren macht lustig" verkaufen) erscheint unsinnig, denn gerade solche, die positiven Emotionen ansprechenden Werbungen sind verkaufsfördernd.

Des Weiteren stellt sich die Frage, inwiefern die IÖW-Studie repräsentativ ist. Laut Aussage von Foodwatch wurden modellhaft vier "virtuelle" Betriebe definiert, "deren Eigenschaften (Haltungsform, Bestandgröße, Fütterung, eingesetzte Technik usw.) repräsentativ sind für die Mehrzahl der in Deutschland konventionell bzw. ökologisch gemästeten Schweine. Datenquellen waren amtliche Statistiken und zahlreiche Aussagen von Expertinnen und Experten für die Schweinehaltung." Die "synthetischen Modell-Betriebe" sollen den Mittelwert der Produktions- und Umweltbedingungen von ökologischen und konventionellen Betrieben in Deutschland bilden. "In der Realität wird es kaum einen Hof geben, der genau so aussieht, wie ein Modellbetrieb der Studie. Viele Betriebe werden bessere, viele aber auch schlechtere Umwelteigenschaften haben."

Zur Studie:
Die Untersuchung "Was kostet ein Schnitzel wirklich?" wurde vom August 2003 bis Mitte März 2004 durchgeführt. Die Erhebungen beruhen auf standardisierten Ökobilanzierungen, um Vertretern aus politischen Reihen schon im Vorfeld einen Ansatzpunkt für Kritik zu nehmen. Die Kosten der Studie belaufen sich auf 30 000 Euro, die laut Vertreter des IÖW, Matthias Wolfschmidt, bei weitem nicht den Arbeitsaufwand decke. Bereitgestellt wurde die Summe von der "Stiftung für Bildung und Behindertenförderung GmbH" (SBB).
Die Daten wurden an je zwei konventionellen und ökologischen Modellbetrieben erhoben. Festgehalten wurden die Wirkung auf die Umwelt, externe Kosten, rechtliche Rahmenbedingungen, Absatzwege und Preis.
Um die Repräsentativität der Studie zu gewährleisten wurden Datenergänzungen mit Hilfe von Expertenschätzungen vorgenommen.

Stellt sich die Frage, warum ausgerechnet das Schweineschnitzel ausgewählt wurde. Das Schnitzel soll prototypisch die Unterschiede von Herstellungsbedingungen für ökologische und konventionelle Produkte widerspiegeln. Die Auswahl von Schweinefleisch legen schon die Zahlen von Produktion und Verzehr nahe. In Deutschland wurden 2003 4,2 Mio. Tonnen Schweinefleisch produziert. Das entspricht einem Marktanteil (für Fleisch) von 66%. Es folgt Rindfleisch mit einem Anteil von 19 % (1,2 Mio. Tonnen)
Verzerrt wurden im letzten Jahr je BundesbürgerIn 60,8 kg Fleisch und hiervon alleine 40,4 kg Schweinefleisch (66%).

Zum Verein:
"Foodwatch" wurde vor eineinhalb Jahren von Thilo Bode in Berlin gegründet. Die Organisation "vertritt Verbraucherinteressen im Bereich Ernährung". Aktiven VerbraucherInnen wird eine Plattform geboten, deren Projekte vom Grundsatz "Demokratie auf den Teller" geleitet werden. Der politisch unabhängige Verein finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge, Einzelspenden und Zuwendungen von Stiftungen.



Mehr Informationen zu "foodwatch e. V" unter:
www.foodwatch.de
zum "Institut für ökologische Wirtschaftsforschung":
www.ioew.de
und zur "Stiftung für Bildung und Behindertenförderung GmbH":
www.sbb-stiftung.de



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Beitrag vom 25.03.2004

AVIVA-Redaktion